poes katze.
aus einem kalender
20. März
heute ist nicht poetisch. kann es gar nicht sein. heute ist poetisch erst morgen. heute ist heute eher poe. auch das -tisch nicht vergessen. worauf nichts von poe liegt. morgen vielleicht - poes katze: eingemauert im heute, ein vergehen oder versehen. ehe ich mich´s versehe, vergehe ich mich, bin schon vergangen. wie auch immer, hatte poe eine katze?
22. März
poes katze, das bin ich. eingemauert in meine unglückliche liebe zum freien. wohin ich nicht gelangt, wenn es sich dünn macht, höchstens als grammatikalische figur.
diese sehnsucht nach den gegenwartsmomenten, zählbar wie ein schwarm fliegen, aber verflucht gut verfugt. fast untastbar, unfassbar verfugt mit geschwindigkeit, der von fliegen: abrupt und verlässlich. dahinter ich,
die zurückgebliebene katze, die an den fugen kratzt, bis etwas hindurchscheint. licht, anfassbar warm auf meinem fell, einer in
der ferne – vor ferne – zärtlichen sonne.
29. März
schluss mit dem sublimen! poesie heißt krallen raus und drauf, ein wehrhafter, notwendiger akt. aber licht? es kann ebenso gut wasser sein, was durch die fugen dringt, oder zugluft, oder lärm. und der moment ist ja gut und schön, aber nichts ohne davor und danach, nichts ohne geschichte.
die geschichte von heute könnte aus dem wetterbericht bestehen: nach grellen saharatagen ist es kühl und bedeckt, aber je weiter man nach osten kommt, desto heller wird's. nichts mit regen.
9. April
die katze hat ihr feuer verloren. wie es scheint, hat sie alles vergessen. interesse, appetit, und sei es auf abwechslung, oder was zwischen mäusen und katzen zu sein hat, das spiel, die tat der jagd: vergessen wie ihren schöpfer hat sie diese dinge, oder wie der schöpfer von mäusen und katzen sie. tatenlos ist sie ein kühles nirvana, etwas, das anders ist, als es gedacht war. ein monster, oder nenn es alt.
die katze will jetzt milch. als monster ist sie jung.
15. April
heute wäre sie gern nerudas katze. die, in deren augen die nacht ihre münzen wirft. stattdessen wirft die sonne ihre speere durch die mauerritze, und das ist keine ode, das ist die katzenkammer in einer geschichte lange nach poe.
24. April
wieder so ein morgen, an dem ich als die abgerockteste version eines
gespensts aus dem geiste eines toten dichters erwache. dabei sitze ich in meinem hauptquartier an tausendundeinem schönen, blanken hebeln, während die geschichte von heute nur so abschnurrt: die wissenschaft kann wasser zu stein; die wirtschaft krankt an oligarchie; das virus hat einen namen. ich sehe mich schon einen hebel umlegen: die oligarchie blüht unter herpes dem soundsovielten; hermes heißt eine heuschreckenfressende orchidee; die wissenschaft kann wasser aus stein ... die geschichte schnurrt weiter. die post bringt einen lichtblick.
auf sämtlichen pfoten schleiche ich hinein.